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Allgemeines
Dezember 2024
Mache Dich auf und werde Licht
Mal ehrlich: Wer verschenkt schon eine ramponierte Reis-schale? Die Japaner machen das und nennen das Kintsugi. Kaputte Keramik kunstvoll zu reparieren ist da eine alte Tradition und grad voll der Hipster-Trend. Und so kam meine Freundin Katja auf die Idee mit der Mueslischale als Gastgeschenk. Sie war jetzt 2 Jahre in Japan gewesen. Ihre Schale war aus hellem Porzellan und hatte ueberall kleine und groessere goldene Risse. Katja hatte sie naemlich vorher einmal ordentlich auf den Fussboden in ihrer Kueche geschmettert, um dann die Teile wieder zusammengeklebt. Alle Bruchstellen an der Schuessel hat sie anschliessend mit goldener Farbe bemalt und sie so richtig deutlich betont.
Katja merkte, dass ich dieses Geschenk total cool fand, diese einzigartige Schale mit ihren goldenen Bruechen. Und deshalb hat sie mir erklaert, was Kintsugi fuer sie bedeutet: Die Bruchstellen der Schale werden nicht vertuscht. Ganz im Gegenteil - die Vergoldung hebt die Brueche erst richtig hervor. Katja findet, das waere doch auch im Leben eine gute Einstellung: Die kleinen und grossen Brueche nicht immer gleich verdecken und vertuschen. Die gehoeren naemlich zu uns, die machen uns aus - zusammen mit den guten und heilen Seiten des Lebens. Ich glaube, es ist nicht so leicht und ganz schoen mutig, so deutlich zu den eigenen Rissen im Leben zu stehen. Aber es ist einfach eine Frage der Haltung. So, wie Kintsugi auch eine besondere Kunstform ist: Nimm deine eigenen Bruchstellen an und vergolde sie sogar.
Wenn ich jetzt ein Teelicht in diese Schale stelle, erhellt sie mein Zimmer. Die Risse lassen das Licht durch. Mache dich auf und werde Licht. So lautet der Monatsspruch. Doch wenn wir das Licht spueren im Heilen und Zerbrochenen, koennen wir es empfinden und anderen weitergeben.
Silvia Schmidt
Januar 2025
Auf dem Weg nach ...
Mal ehrlich: Haben Sie mehr Freunde oder mehr Feinde in ihrem Leben? Diese Frage mag Sie verwundern und ich ahne schon, welche Antwort Sie darauf vermutlich geben: Mehr Freunde natuerlich! Im Mittelalter gab es unter den Herrschenden die Idee, man muesse mehr Feinde als Freunde haben, denn nur so koenne man seine Macht und seinen Einfluss demonstrieren. Der deutsche Philosoph Arthur Schopenhauer hat einmal gesagt: "Wenn Du keine Feinde hast, dann hast du wohl auch keinen Charakter."
Der Monatsspruch fuer den Januar nimmt auch die Feinde in den Blick, die vermutlich jeder Mensch hat. Aber der Blick auf die Feinde ist diesmal aus den Augen Jesu und stellt sich damit entschieden gegen den Zeitgeist seiner Lebenswelt. Galt doch hier eher Auge um Auge, Zahn um Zahn als den Feinden etwas Gutes zu tun. Das Wort Jesu ist eine Provokation, damals wie heute. Wer schafft es schon, einem Menschen, mit dem man ueber Kreuz liegt, so zu behandeln, als waere es ein Freund. Jesus treibt seine Provokation sogar auf die Spitze. Fuer ihn geht es nicht nur darum, einen Feind einfach einen Feind sein zu lassen und ihm vielleicht die andere Wange hinzuhalten. Fuer Jesus geht es darum, den Feind genauso zu behandeln, wie man selbst behandelt werden moechte und ihm sogar all das zukommen zu lassen, was man sich fuer das eigene Leben wuenscht. Gutes! Segen! Fuerbitte! Liebe!
Das klingt nicht einfach, vielmehr scheint es so, als koennte nur ein Mensch wie Jesus einen solchen Schritt gehen und einen solchen Grossmut aufbringen. Doch Jesus kennt die Menschen. Als Sohn Gottes hat er sich mit ihnen das Leben geteilt, und weil Jesus die Menschen kennt, weiss er auch, was er ihnen zumuten darf. Was er uns zumuten darf. Wer fuer seinen Feind das Beste will, erkennt damit an, dass der ungeliebte Mensch das gleiche Lebensrecht hat wie man selbst und das gleiche Recht vor Gott. Nicht alle Menschen muessen Freunde sein, unterschiedliche Ansichten und Meinungen duerfen zwischen Menschen stehen, aber eben auch keine Feinde! Die Provokation Jesu kann helfen, den Blick auf den eigenen Feind zu veraendern. Wer der Anweisung des Monatsspruchs folgt, kann vielleicht sogar erleben, dass die Welt ein wenig besser wird. Es auszuprobieren kostet sicherlich Kraft. Aber es koennte sich lohnen.
Ihre Pfarrer Andreas Janssen